In letzter Zeit habe ich viel über einen feministischen Klassiker nachgedacht: über Hausarbeit. In diesem Text spreche ich über das schlechte Image von Hausarbeit. Und darüber, was das mit Sexismus und Rassismus zu tun hat.
Dieser Artikel thematisiert Hausarbeit, Care Chain, Sexismus, Rassismus.
Es gab mal eine Werbekampagne für Außenwerbeflächen. Werbung trifft jeden, lautete der Slogan. Und das stimmt: Manche Werbung trifft auch mich sehr direkt. Zum Beispiel, wenn ich gerade auf die U-Bahn warte und die Werbung von der Wand gegenüber geradezu zum Kinnhaken ansetzt:
Ich möchte hier keine ausführliche Bild- oder Textanalyse machen. Vor allem deswegen, weil der Platz hier wohl knapp werden würde, wenn ich aufzählte, was für mich an diesem Bild alles problematisch ist. Aber ich möchte erklären, warum mich diese Werbung trifft, welche Wertvorstellungen über Hausarbeit sie als Botschaft in die Welt bringt und inwiefern diese mit Geschlechterstereotypen zu tun haben. Dazu muss ich ein wenig ausholen.
Ich bin weiblich sozialisiert, werde in der Gesellschaft als Frau gelesen und identifiziere mich auch als solche. Die Gesellschaft erwartet von mir als Frau, dass ich eine bestimmte Rolle erfülle. Zum Beispiel werden mir manche Aufgaben mehr zugetraut als andere. Traditionelle stereotype Geschlechterrollen haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte gelockert, aufgelöst haben sie sich aber noch lange nicht. Ich nehme an, dass stereotype Geschlechterrollen der zentrale Grund dafür sind, dass ich gelernt habe, im Haushalt den Überblick zu behalten, dass ich mich oft wie selbstverständlich um das Tisch abräumen kümmere oder um den Abwasch – während andere Personen, zumeist männlich sozialisierte, tatenlos am Tisch sitzen bleiben. Wer ganz genau wissen möchte, was ich meine, die*den lade ich ein, Weihnachten mit meiner Familie zu verbringen: In der Regel stehen zum Großteil die Frauen in der Küche, richten das Essen an oder bringen dreckiges Geschirr weg – nur manchmal bewegt sich einer meiner Cousins, um zu helfen. Meine Onkels wiederum holen Bier. Sicherlich überspitze ich die Situation ein wenig – aber ja … mehr oder weniger ist es so.
Klar, jetzt könnte ich behaupten, dass all das gerade im Wandel ist. Meine Generation geht doch ganz anders mit Arbeitsteilung um. Bloß: Manche Studien zeigen, dass das nicht stimmt. Und auch in meinem Leben finden sich zahlreiche Gegenbelege. Zum Bespiel in meiner Wohnsituation: Ich wohne in einer Wahl-WG. Das heißt, wir konnten uns „aussuchen“, mit wem wir Wohnraum und die damit einhergehenden Rechten und Pflichten teilen. Auch bei uns war Hausarbeit und ihre ungleiche Verteilung in den letzten Monaten ein Streitthema. Dabei ging es vor allem darum, wer überhaupt ein Auge für Hausarbeit hat, wer kocht, wer einkauft und wer im Blick behält, dass am nächsten Tag noch Milch für den Kaffee da ist und welche Arbeit von wem wann wahrgenommen wird – und ja: Auch hier spielt meiner Ansicht nach die Geschlechterdimension eine Rolle.
Der ganze Konflikt um Einkaufen, Aufräumen und Putzen hat bei mir zu einer erneuten Reflexion geführt. Zum Beispiel darüber, wie ich Hausarbeit sehe und wie das allgemeine Image von Hausarbeit meinen Umgang mit ihr geprägt hat. In unserer Gesellschaft gilt Hausarbeit als etwas Überflüssiges, etwas, das Zeit raubt und ein nerviges, aber nötiges Übel ist. Klar, dass dann auch die Personen, die uns daran erinnern, Hausarbeit zu tun, zum nervigen Übel werden. Zum Beispiel unsere Mütter. Oder später die Mitbewohnerin. Oder die Partnerin. Manchmal sind es sicherlich auch die Väter, die Mitbewohner und Partner, die dringlich um Mithilfe im Haushalt bitten. Da aber Hausarbeit immer noch eine stark gegenderte Arbeit ist, dürfte dies deutlich seltener zutreffen.
Um zu zeigen, dass ich die negativen Vorstellungen von Hausarbeit selbst verinnerlicht habe, hier ein weiteres Beispiel. Wenn ich in den letzten Monaten Hausarbeit und Sauberkeit in meiner WG ansprach, begann ich oft so: „Ich mag es nicht, ständig zu meckern, aber…“ –interessante Wortwahl, nicht?
Und hier kommt die Werbung ins Spiel, denn sie bestätigt genau dieses negative Image: „Chris konzentriert sich auf die wichtigen Dinge im Leben – nicht waschen & bügeln.“
Waschen und Bügeln sind also unwichtig. Wichtig hingegen ist das perfekt gebügelte Hemd, damit Chris Karriere machen kann. Karriere ist also etwas, das in unserer Gesellschaft anerkannt wird. Deshalb bekommt Chris auch viel Geld dafür. Denn Anerkennung funktioniert in einer kapitalistischen Gesellschaft über, ja genau richtig, Geld. Da Chris Geld hat, kann er unwichtige, nicht anerkannte Arbeit „outsourcen“. Und jetzt lasst uns mal raten, wer diese Arbeit am Ende leistet, wer also zum Beispiel für einen niedrigen Lohn in der Reinigungsindustrie tätig ist? Ach ja, richtig: meistens Frauen. Ganz ohne Karriere. Und hinzukommt, dass es meistens Women of Color bzw. migrantisierte Frauen sind, die diese Arbeiten in der weiß dominierten deutschen Gesellschaft übernommen haben. Das nennt sich care chain: Menschen mit Geld können ihre Reproduktionsarbeiten an weniger privilegierte Personen abgeben und als gering bezahlte Dienstleistung einkaufen. Und zur Reproduktionsarbeit gehören Tätigkeiten wie Waschen und Bügeln, weil – wie das Plakat gut erklärt – Chris nur gut arbeiten kann, wenn er auch saubere und gebügelte Kleidung dafür hat. Somit wird Arbeitskraft reproduziert. Und diese Reproduktion steckt in rassistischen und sexistischen Strukturen fest.
Ich frage mich manchmal, was passieren würde, wenn Hausarbeit als eine für die Gesellschaft wichtige Arbeit anerkannt würde? Was würde passieren, wenn sie nicht als anstrengend und überflüssig gelabelt wäre? Wie wäre es, wenn Menschen, die sie verrichten, dafür die Anerkennung bekommen, die sie verdienen? Denn ja, meiner Erfahrung und meines Wissens nach bedarf es großer organisatorischer Fähigkeiten und Planungstalents, um die Arbeit in einem Mehrpersonenhaushalt zu koordinieren – und zwar so zuverlässig und beständig wie es meine Mutter jahrelang geschafft hat.
Meine Mutter hat mir diese Fähigkeiten weitergeben. Sie mir beigebracht. Es fällt mir relativ leicht, den Überblick über einen 4-Personen Haushalt zu behalten. Zum Glück muss ich es aber nicht alleine tun, denn es ist eine anstrengende Arbeit, vor allem wenn sie unsichtbar ganz nebenher läuft. Anstrengende Arbeit wird jedoch leichter, wenn sie geteilt wird: Wir haben uns in der WG darauf geeinigt, dass wir versuchen wollen, die Anteile an Hausarbeit anzugleichen. Und darauf, dass wir miteinander im Gespräch bleiben und Hausarbeit im Alltag thematisieren. Damit verhelfen wir ihr zu mehr Sichtbarkeit und Anerkennung zumindest in unseren Räumen.
Das Ding ist, ich kümmere mich gerne um Menschen. Und dazu gehört auch, die Wohnung sauber zu halten, für andere zu kochen und einzukaufen. Oder eben die verdammte Wäsche zu waschen. Allerdings habe ich gleichzeitig verinnerlicht, dass solche Arbeit ein notwendiges Übel ist, dass sie mir Zeit stiehlt. Zeit, die ich doch besser in meine Ausbildung stecke, damit ich dem Arbeitsmarkt bald jung und qualifiziert zur Verfügung stehe, und damit ich am Ende eine schlecht bezahlte, migrantisierte Reinigungskraft anheuern kann, um die lästige Hausarbeit zu übernehmen….
von _e_e_a
_e_e_a lebt mitten im Großstadttrubel. Dort eilt sie oft von A nach B und zur Uni. Neben aller Eile braucht sie aber auch Pausen. Zum Beispiel bei Kaffee und Kuchen. Oder bei einem Spaziergang an der schönen Panke entlang.