Männer, ihr müsst nicht alles wissen!

Mansplaining bedeutet mehr als dass ein Mann „einfach nur“ labert: Wenn Männer Frauen die Welt erklären, bringt das die Frauen zum Schweigen – und dem Erklärschwall ausgesetzt zu sein, ist anstrengend. Hier sind 5 Tipps, wie Frauen Mansplaining durchbrechen können. Und ein Appell an die Männer: Haltet mal öfter den Mund und hört Frauen einfach nur zu!


Dieser Artikel thematisiert Mansplaining, Redeverhalten, Unterdrückungsformen, Alltagssexismus, Kommunikation, Geschlechterungerechtigkeit, Zuhören.


Irgendwie habe ich das schon oft erlebt: Dass mir Männer etwas erklärt haben, was eigentlich total klar und banal ist. Wo ich den Eindruck habe: Sag mal, denkt der etwa, ich weiß das nicht? Denkt der, ich verstehe das nicht? Und er selbst scheint zu glauben, er checke das Thema total.

Jede Frau, wirklich jede, mit der ich darüber gesprochen habe, weiß sofort, was gemeint ist: Wenn Männer uns Frauen die Welt erklären.

Das Phänomen hat einen Namen: Mansplaining. Das kommt aus dem Englischen und ist zusammengesetzt aus „man“ (Mann) und „explaining“ (erklären). Im Deutschen gibt es eine ähnliche Wortschöpfung mit „herrklären“.

What the fuck is Mansplaining?

Mansplaining hat viele Erscheinungsformen:

Wenn ein Mann eine Frau unterbricht und das sagt, was sie eigentlich sagen wollte.
Ich fühle dann einen Stich, ziehe mich zusammen und bin wütend oder traurig.

Wenn ein Mann inhaltlich genau das sagt, was vorher eine Frau in der Runde gesagt hat – und plötzlich bekommt das Gesagte viel mehr Zuspruch.
(Oft erlebt in der Schule: Meine richtig guten Witze wurden regelmäßig von den Jungs als ihre eigenen ausgegeben. Ich sagte es leise, sie wiederholten es laut.)

Wenn ein Mann einen spontanen Monolog hält und sich nicht dafür schämt, dass er viel mehr Redezeit als andere (meistens Frauen) einnimmt. Ich kenne einige Männer, die sich zwar bewusst sind, dass sie viel labern, aber das mit einer „Monologschwäche“ erklären, für die sie ja leider nichts können. Das sei halt so.¹ Mansplaining nennen sie es nicht. (Womöglich kennen sie diesen Begriff auch gar nicht.)

Und eben, wenn Männer Frauen ungefragt die Welt erklären. Subtext: Du weißt es ja noch nicht. Du checkst es sonst nicht. Ich kläre dich jetzt mal auf.

Den allermeisten Männern ist es nicht bewusst, dass sie Mansplaining betreiben. Bei diesem Redeverhalten schwingt ein gewisses Überlegenheitsgefühl mit. Und es wirkt, auf manchmal mehr, manchmal weniger subtile Weise, herablassend. Mansplaining bringt Frauen zum Schweigen. Es ist im Grunde genommen eine Unterdrückungsform, die über Sprache funktioniert.

Männer, die es nicht aushalten, wenn eine Frau es besser weiß als sie

Dieser maskulin sozialisierte Drang, immer alles wissen zu müssen. Es ist so anstrengend! Männer, die ungefragt beginnen, zu „dozieren“. Männer, die etwas erklären, als ginge es um ihr Leben. Männer, die in eine derartige Not kommen, wenn eine Frau etwas weiß, was sie nicht wissen. Die das ganz schwer aushalten.

Wie stressig muss das sein!

Worum ich Männer im modernen Patriarchat nicht beneide: Die (von außen herangetragenen und verinnerlichten) Erwartungen an sie, stark zu sein, alles zu wissen und die eigenen Gefühle zu unterdrücken. Das stelle ich mir sehr anstrengend vor.

Die Rolle der andächtigen Zuhörerin spielen? Nein, danke!

Als Teenager las ich das Buch „Mondscheintarif“ von Ildiko von Kürthy mehrere Male und fand es sehr lustig.² In diesem Buch wird an einer Stelle Mansplaning thematisiert – allerdings nicht auf eine kritische, sondern auf eine sehr ungute Art. Ich zitiere:

„Männer lieben Frauen, die ihnen das Gefühl geben, interessant zu sein. Und sie halten jede Frau für klug, die ihnen zuhört. Um einen nachhaltig guten Eindruck zu hinterlassen, sollte man bei der ersten Verabredung nur zwei Sätze in regelmäßigen Abständen sprechen: 1.) Erzählen Sie mehr davon, das interessiert mich sehr. 2.) Ach, das habe ich nicht gewusst.“³

Eine Gebrauchsanweisung dafür, wie ich mich am besten in die Rolle einer passive Zuhörerin füge, die den Worten eines Mannes andächtig lauscht? – Nein, danke!

Mansplaining ist nicht einfach nur Labern

Und, Leute: Mansplaining ist etwas anderes als „einfach bloß“ Frauen vollzulabern.

Vollgelabert zu werden nervt schon4. Aber mit dem Redeschwall eines Mannes konfrontiert zu sein, der aus solch einer großen Not heraus spricht, alles besser wissen zu müssen, und seine Männlichkeit null kritisch reflektiert – das ist eines der anstrengendsten Dinge, die ich auf dieser Welt kenne.

Denn dabei geht es nicht um einen persönlichen, gleichwürdigen Austausch zwischen zwei Menschen: Vielmehr kommt es mir so vor, würde ich in einer solchen Situation auf die Funktion reduziert, als Fläche zu dienen, auf der der Typ sein (vermeintliches) Wissen ungefragt ausbreitet. Es geht nicht um mich, sondern es geht um sein Ego. Ich soll mir – am besten noch nett lächelnd – den Kram anhören und sagen: „Ach, das habe ich nicht gewusst.“

Sorry, das habe ich lange genug in meinem Leben getan und keinen Bock mehr darauf.

Wie mit Mansplaining umgehen?

So und jetzt konstruktiv. Was machen wir mit dieser kommunikativen Scheiße, liebe Co-Frauen*?
– I proudly present: 5 Strategien, mit Mansplaining umzugehen

  1. Trocken entgegnen: „Und laut einer Studie sind sogar 35 % der Beschäftigen in Deutschland unzufrieden mit ihrem Job. #justsaying…“
    Subtext: „Ich weiß es noch viel besser als du.“

Es ist aber auch scheiße, mit gleichen Waffen zurückzuschlagen, wie Ickxyz schreibt : „Ich bezweifle, dass der Aufruf ‚zurück zu mansplainen‘, ein Schritt in die richtige Richtung ist.“ (leicht abgewandeltes Zitat)

  1. Konfrontieren: „Du, glaubst du gerade, dass ich das nicht weiß?“

Ich nenne das auch Pistole auf die Brust setzen. Hier findet ein pädagogisch durchaus wertvoller Moment statt. Dem Mansplainer wird bewusst gemacht, wie sein Erklärverhalten gerade wirkt. Eine Erkenntnis à la Oh, habe ich jetzt gerade tatsächlich angenommen, dass sie das nicht weiß? könnte stattfinden.

(Was er wohl darauf antwortet?)

  1. Aus dem Gespräch gehen: „Du, ich hole mir nochmal ein Bier…“
    (Und dann natürlich nie wiederkommen)

Sehr bewährt, wenn ich gerade überhaupt keinen Nerv auf eine Mansplaining-Session auf einer Party habe. Diese Strategie ist geeignet bei einem Energielevel von weniger als 50%, weil sie am wenigsten Energieaufwand erfordert.

  1. Klare Ansage und Ende Gelände: „Mir ist das hier zu blöd. Du redest seit zehn Minuten, und ich habe den Eindruck, dass du gar nicht daran interessiert bist, was ich zu sagen habe. Ich habe keine Lust mehr, dir zuzuhören und gehe jetzt.“

(By the way: Darin ist eine Menge Wut – und viele Frauen* haben gelernt, ihre Wut herunterzuschlucken. Darüber schreibe ich ein anderes Mal.)

  1. Die eigenen Ressourcen in nachhaltige Sensibilisierung von Männern für ihr mansplainendes Verhalten investieren

Geht nur, wenn du a) richtig geil gefrühstückt hast, b) ausgeschlafen bist, c) 100 % deiner Energie dir zur Verfügung stehen und d) du gerade selbst nicht übelst angetriggert bist.

Also selten.

Aufklärung könnte zum Beispiel so aussehen:

„Du, ich habe in meinem Leben einfach schon oft die Erfahrung gemacht, dass mir Männer etwas erklärt haben, was eigentlich total klar ist. So wie du jetzt gerade.
Wo ich dann denke: ,Hä, denkst du jetzt, dass ich das nicht weiß oder nicht verstehe?‘
Und ich bin nicht die einzige Frau, die das erlebt: Alle, die ich kenne, kennen das auch. Die meisten Männer merken es gar nicht, wenn sie einem die Welt erklären, habe ich den Eindruck. Es ist sehr anstrengend für mich und ich wollte dir das mal sagen.“

Wenn du dich in akademischen (geisteswissenschaftlichen) Kontexten bewegst, kannst du gut mit der sozialwissenschaftlichen Schiene kommen, die dir eine gewisse Credibility bringt:

„Und das ist jetzt kein individuelles Phänomen, das nur dich betrifft. Mansplaining ist halt ein strukturelles gesellschaftliches Phänomen. Dabei bringen ableisierte, meist weiß positionierte cis-Männer weiblich gelesenen Menschen (weiß und of Color5) Sachverhalte ungefragt näher, obwohl die weiblich gelesene Person in Bezug auf den jeweiligen Sachverhalt gut in der Materie ist und nicht um eine Erklärung gebeten hat. Autor*in XY hat das in ihrer Monographie genauer untersucht…“

Und zu guter Letzt:

Forderungen an ‚die‘ Männer

Liebe Männer, die ihr diesen Artikel lest: Ich wünsche mir, dass ihr lernt, dass es voll OK ist, auch mal etwas nicht zu wissen. Euer Selbstbild als Mann muss nicht zwangsläufig daran hängen, überall den Durchblick zu haben (was ja sowieso nicht der Fall ist, seien wir mal ehrlich). Ich liebe es, wenn ein Mann zu mir sagt: „Ich weiß es auch nicht. Ich glaube das und das. Was denkst du dazu?“ (Und wenn er dann lauscht.)

Ich wünsche mir auch, dass ihr euch darin übt, öfter mal einem Redeimpuls zu widerstehen – und stattdessen den anwesenden Frauen Raum zum Reden gebt und ihnen aufmerksam zuhört. Das ist schön und leider sehr selten.

Runden, in denen Männer ein Bewusstsein für männlich dominantes Redeverhalten haben und es durchbrechen, sobald sie Mansplaining beobachten, gibt mir als Frau Sicherheit und Entspannung – weil ich dann weiß, dass ich nicht alleine damit bin, diesen Redemustern entgegenzuwirken. Übrigens, schon mal bemerkt? Viele Männer hören anderen Männern eher zu als Frauen.

Wenn ich Gespräche mit Männern hatte, in denen wir uns gegenseitig zuhörten, ohne Mansplainen und Überlegenheitsgetue, dann fühlte ich mich wirklich ernst genommen. Das war immer etwas Ungewohntes und Besonderes für mich.

Männer, ihr wisst gar nicht, was ihr uns Frauen damit geben könntet, indem ihr einfach zuhört! Indem ihr anerkennt,  dass Frauen genauso viel wissen und können wie Männer.  Und indem ihr euch bewusst werdet, dass ihr solche sexistischen Gedankenmuster verinnerlicht habt.
Legt euren anerzogenen Sexismus Stück für Stück ab, wie ein altes Hemd.

Es passt doch sowieso schon lange nicht mehr.

 

 

¹Mit biologischen Erklärungen (Monologschwäche) kann man sich ja gut rausreden. Die arme Biologie, wofür sie schon alles herhalten musste…

²Sätze wie: „Ich spreche nicht vor neun Uhr morgens. Ich höre nicht auf zu sprechen vor zwei Uhr nachts.“ finde ich auch heute noch witzig. Insgesamt strotzt das Buch aber vor Stereotypen über Frauen und Männer. Kotz.

³Ildiko von Kürthy: Mondscheintarif. Reinbek-Verlag 1999.

4Noch ehrlicher: Ich hasse es! Wenn Leute nicht auf den Punkt kommen!

5Da ich selbst weiß bin, weiß ich nicht, wie es bei Schwarzen Frauen und Frauen of Color  ist. Ich kann mir vorstellen, dass Mansplaining für Schwarze Frauen und Frauen of Color aufgrund von Vorurteilen und Stereotypen gegen Schwarze Menschen und People of Color noch krasser sein könnte als Mansplaining, das weiße Frauen erleben.

 

Verweise

Rebecca Solnit: Wenn Männer mir die Welt erklären (englischer Originaltitel: Men Explain Things To Me). Buch.

Jack Urwin: Boys don’t cry. Buch.
Das Buch ist eine leicht verständliche Einführung ins das Thema toxische Männlichkeit (aus einer weißen männlichen Perspektive geschrieben).

Tony Porter: A Call To Men. TED-Talk.

#kurzerklärt: Mansplaining – Was ist das? Video von der Tagesschau.


von Kinga Doe

Kinga Doe beschäftigen tagtäglich sehr viele Dinge. Unter anderem, wie man Inhalte so vermitteln kann, dass möglichst viele Menschen sie verstehen. Und wie eine gerechte Welt für alle [also wirklich alle] in spätestens zwanzig Jahren Realität wird. Ihre Credos: 1. Viele Dinge im Leben ausprobieren, 2. Machen statt Labern.