Radler ist kein Mädchenbier!

Danjeler arbeitet als Bedienung in einer Kneipe. Dabei erlebt sie immer wieder Sexismus. Hier erzählt sie, wie sie damit umgeht.


Dieser Artikel handelt von Alltagssexismus, Sexismus in Kneipen, Selbstbehauptung, Geschlechterbildern.

Seit mehreren Jahren arbeite ich in einer Lübecker Kneipe. Im Selbstverständnis Studierendenkneipe, politisch links – keine Szenekneipe, aber eine Kneipe mit klarer Positionierung. Ich mag die Arbeit, besonders den Kontakt zu den unterschiedlichen Gästen. Meistens zumindest.

„Ein Mädchenbier, bitte!“ – „Aha, was ist denn ein Mädchenbier?“, frage ich bissig, woraufhin der Typ am Tresen, der gerade noch grinste, leicht irritiert „ein Radler“ hinzufügt. Das ist wohl eine der harmlosesten Situationen, die mir spontan zum Thema „Sexismus in Kneipen“ einfällt. Aber auch die reicht aus, um mich eine Weile über gesellschaftliche Machtverhältnisse zu ärgern. Über Geschlechterbilder, in denen das Weibliche als schwach, süß, leicht gilt, weshalb ein Radler zum „Mädchenbier“ wird. Diese Geschlechterbilder sind gewaltvoll, weil sie Mädchen und Frauen herabwürdigen. Wenigstens habe ich’s nicht unkommentiert gelassen. Immerhin. So leicht fällt mir das nämlich auch nicht immer…

Eine andere Geschichte. Ich habe Spätschicht, der Laden ist voll. Ich stehe alleine hinter dem Tresen. Am Ende der Theke sitzen drei weiße Typen, die mir gleich beim Reinkommen aufgefallen sind. Ordentlich angetrunken, Mitte 40, diskutieren sie über die Herkunft und Hautfarbe anderer Gäste. Eine Weile höre ich zu und versuche mir ein Bild zu machen. Nachdem ich die Inhalte als rassistische Kackscheiße eingeordnet habe, nehme ich mir die Typen vor. Erläutere, dass ich nun lange genug zugehört habe, und dass ich so einen Mist nicht hören will. Dann fordere ich sie auf, jetzt bitte den Laden zu verlassen. Ihre Reaktion darauf: Gar keine!
Als hätten sie mich überhaupt nicht gehört, beschweren sie sich über die mangelnde Menge an Alkohol im Shot und fragen, ob ich nicht „noch etwas Härteres“ hätte. Langsam werde ich wirklich sauer: „Es reicht! Ihr geht jetzt raus! SOFORT!“ Die Typen scheinen nun zu merken, dass es mir ernst ist. Ihre Reaktion: „Und wenn wir nicht gehen? Was willst du dann machen?“. Das sitzt! Mh, ja – gute Frage. Was will ich dann eigentlich machen? Ich alleine hinter dem Tresen. Die Bullen rufen? Alle drei Superwoman-like verprügeln? Das scheinen mir keine Optionen zu sein. Also … gucke ich böse. Ärgere mich über die Dreistigkeit dieser Typen. Darüber, dass ich nicht ernst genommen werde. Darüber, dass das meinen weißen Kollegen wohl nicht passiert wäre. Darüber, dass ich mich so hilflos fühle. Und darüber, dass gesellschaftliche Vorstellungen vom wehrlosen Mädchen so tief sitzen. Denn genau solche Bilder führen ja erst dazu, dass Typen wie die ganz selbstverständlich davon ausgehen, mich nicht ernst nehmen zu müssen.

Nach der Ohnmacht kommt der Ärger. Die Wut, dass ich mich nicht anders verhalten habe. Dabei sollte ich mich viel mehr über diese Typen als über das von mir (Nicht-)Gesagte aufregen!

Am meisten ärgert mich jedoch, dass solche Dinge immer wieder passieren. Situationen, in denen zumeist weiße Cis-Männer meinen, mich oder meine Kolleginnen mit „Mäuschen“ ansprechen zu dürfen. Situationen, in denen einfach überhört wird, dass wir so nicht genannt werden möchten. Situationen, in denen provokativ damit weitergemacht wird, weil sich der Typ an der Bar nicht „sein Recht“ nehmen lassen möchte, uns Frauen* so zu nennen, wie er eben will. Situationen, in denen wir uns anhören müssen, dass es unser Problem sei, wenn wir auf solche Bezeichnungen „zu empfindlich“ reagieren.

Und dann gibt es Situationen, in denen ich es schaffe, mich selbst zu behaupten. In denen es mir gelingt, unangenehme Gäste rauszuschmeißen. In denen ich das Gefühl habe, ich kann reagieren und aktiv handeln. Das sind Momente, in denen der Ärger an der richtigen Stelle ankommt. Und in denen ich einfach wütend sein kann, ohne mich ohnmächtig zu fühlen.

Die großartige Erkenntnis, die ich dabei gewinne: Ärger fühlt sich wesentlich besser an als Ohnmacht! Ärger entsteht dann, wenn persönliche Grenzen oder Werte überschritten oder verletzt werden. Ärger stellt ziemlich viel Energie bereit. Energie, die genutzt werden kann, um gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, Gerechtigkeit wiederherzustellen und sich Ärgernisse vom Leib zu halten. Psycholog*innen nennen das: den ärgerauslösenden Reiz beseitigen. Mit anderen Worten: Mein Ärger hilft mir dabei, dafür zu sorgen, dass dieser Typ, der mich vollquatscht, verschwindet. Zusammen mit seiner rassistischen/sexistischen/anderweitig diskriminierenden Scheiße. Manchmal schaffe ich es alleine. Manchmal hole ich mir Hilfe. Manchmal gelingt es mir besser, manchmal schlechter. Und manchmal ist es einfach nur anstrengend. Denn auch ich muss die mir eingetrichterten, von klein auf erlernten Geschlechterrollen erst einmal erkennen, verlernen und neu verinnerlichen. Ich lerne weiter und das ist in Ordnung.

Die wertvollste Erkenntnis bisher: Nach dem Ärger kommt oft ein noch viel schöneres Gefühl. Dann empfinde ich Stolz – darauf, für mich, meine Werte und meine Lieblingskneipe eingestanden zu haben! Also Frauen*, seid wütend!


von Danjeler

Danjeler treibt ihr Unwesen im hohen Norden. Wenn sie nicht gerade kluge psychologische Dinge von sich gibt, steht sie gerne vor oder hinter dem Tresen. Meistens davor. Ihre nicht so ganz heimliche Leidenschaft: Liebevolles Rangeln mit Freund*innen.